Produkt B

Chris Frey

 

 

In der Fremde

 

Roman

 

Books on Demand GmbH

 

ISBN 978-3-8448-2110-9


 

In der Fremde

Raumfahrer, die durch eine kosmische Katastrophe ihre Heimat verloren haben, suchen eine neue Heimat. Auf einem viel versprechenden Planeten glauben sie fündig geworden zu sein. Sie streben eine Partnerschaft mit den dortigen Primaten an. Auf keinen Fall wollen sie mit Gewalt vorgehen, obwohl ihre Möglichkeiten die der Planetenbewohner weit übersteigen.

Aber sie müssen feststellen, dass sie es hier mit einer offenbar gewalttätigen Rasse zu tun haben. Die Raumfahrer beschließen, einen von ihnen unauffällig unter die Bewohner zu schicken, um diese besser zu verstehen. Welche Widersprüche, welche teils haarsträubenden, teils lustigen, teils dramatischen Erlebnisse dieser Botschafter im Kontakt mit den Bewohnern hat, beschreibt dieser Roman. Der Begriff „Unmenschlichkeit“ wird darin völlig neu definiert.

 

 

 

 

Prolog

 

Fremde, eigenartige Welt!

Laut war sie, laut und voller Widersprüche!

Schon in weiter Entfernung, nämlich über fünfzig irdischen Lichtjahren[1], hatten die Raumfahrer erste Signale empfangen, die eindeutig nicht natürlichen Ursprungs waren. Rasch hatten sie als Quelle das Planetensystem eines völlig durchschnittlichen Sterns ausgemacht, genauer gesagt den dritten Planeten vom Zentralstern aus gesehen. Warum machte man dort einen solchen Lärm?

Immerhin, wer solche Signale erzeugen konnte, musste ja wohl intelligent sein. Hier aber begannen schon die Widersprüche. Die für die Signale verantwortlichen Primaten dieses Planeten, die sich Menschen nannten, zeigten in mancher Hinsicht wirklich Anzeichen von Intelligenz. In anderer Hinsicht jedoch gab es auch viele Anzeichen unvorstellbarer Dummheit. Zwar war die Zivilisation dort unten noch Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende hinter ihrer eigenen Entwicklung zurück, aber das konnte nicht der alleinige Grund sein.

Sie hatten von weitem intensive Forschungen betrieben, mit Methoden und Möglichkeiten, von denen die Menschen noch Äonen entfernt waren. So hatten sie rasch festgestellt, dass es zwar vergleichsweise hoch entwickelte Gesellschaften gab, gleichzeitig aber auch Völkergruppen, die auf einem viel primitiveren Niveau lebten. Wie war so etwas möglich?

Der Planet bot ideale Voraussetzungen für Leben schlechthin, viel bessere, als auf ihrem Heimatplaneten je geherrscht hatten. Es gab riesige Wasservorkommen, die Basis allen Lebens. Der Zentralstern, den die Menschen Sonne nannten, stellte unbegrenzt viel mehr Energie zur Verfügung, als je genutzt werden konnte. Schon sie, die Raumfahrer selbst, profitierten davon: längst hatten sie ihre eigenen Energiesysteme abgeschaltet und ließen sich von der Sonne versorgen!

Am bemerkenswertesten aus ihrer Sicht war jedoch die Atmosphäre dieses merkwürdigen Planeten. Sie bestand nämlich zu etwa zwanzig Prozent aus Sauerstoff, ein viel größerer Anteil als in ihrer eigenen Atmosphäre. Sie hatten die Bedingungen dort unten künstlich in ihrem Schiff erzeugt und konnten nur staunen. Die irdische Atmosphäre wirkte auf sie belebend, ja geradezu berauschend! Da sie aber die Risiken, sich dieser Atmosphäre auszusetzen nicht abschätzen konnten, hatten sie diesen Versuch bald wieder aufgegeben.

Klar war nur, dass ihre eigene Atmosphäre für sämtliche irdische Lebensformen tödlich giftig war.

Ein Paradies – anders konnte man dieses blaue Juwel im All nicht bezeichnen.

Die Menschen jedoch schienen gänzlich anderer Ansicht zu sein! Es war schlicht unverständlich und konnte ganz und gar kein Zeichen von Intelligenz sein, wie die Menschen mit ihrem Planeten umgingen. Rücksichtslos wurden alle Ressourcen ausgebeutet, wurde abgeholzt, vergiftet, zerstört, vernichtet! Und das, ohne auch nur andeutungsweise für Ersatz zu sorgen! So gewaltig der Überfluss dort unten auch war, irgendwann – und es konnte eigentlich nicht mehr lange dauern! – waren die Möglichkeiten erschöpft. Niemand schien sich Gedanken zu machen, wie es dann weiter gehen sollte! Das war doch Dummheit pur!

Fassungslos mussten die Raumfahrer ansehen, wie die Menschen fast ihre gesamte Energie aus fossilen Brennstoffen bezogen. Die gab es doch nicht für immer und ewig! Immer und ewig gab es nur die Energie von der Sonne, aber die wurde bis auf kümmerliche Anfänge überhaupt nicht genutzt! Das war so unlogisch, dass ihre Analysesysteme anfangs einen Eingabefehler angezeigt hatten!

Kurz und gut, der Mensch war auf bestem Wege, die Natur seines Heimatplaneten so zu verändern, dass ihm seine Lebensgrundlage abhanden kam. Merkten die Menschen das denn nicht? Wie konnte so viel Dummheit und Ignoranz so intelligent sein, Raumfahrt zu betreiben, wenn auch noch auf einem recht tiefen Niveau?

Eine erste direkte Kontaktaufnahme hatten sie versucht, schon ein paar Jahre, nachdem sie auf die Erde gestoßen waren. Dabei hatten sie in Bezug auf die Menschen den ersten und letzten, den einzigen Fehler gemacht: Sie hatten die Menschheit total überschätzt!

Der Versuch hatte nämlich mit einem Fiasko geendet. Kaum hatten sie die ersten Signale gesendet, als sie auch schon angegriffen wurden. Die Geschosse konnten dem Schiff zwar nicht gefährlich werden. Sie zogen sich aber trotzdem rasch zurück, denn auf keinen Fall wollten sie Aufmerksamkeit erregen. Ganz offensichtlich waren die Menschen noch völlig unreif für interstellare Kontakte. Woher aber stammte diese grauenhafte Aggressivität?

Die Kontaktaufnahme war also auf direktem Weg nicht möglich, ja es schien sogar geraten, jeden Hinweis auf ihre Existenz streng von den Menschen abzuschirmen!

Andererseits waren die Lebensbedingungen auf der Erde für ihre Bedürfnisse so ideal, dass sie nicht so einfach aufgeben wollten. Unbedingt musste ein Weg gefunden werden, mit den Menschen gemeinsam hier zu wohnen, wenn das auch viel schwieriger zu sein schien als erwartet. Es gab zunächst nur eine Möglichkeit: das merkwürdige Verhalten der Menschen musste vor Ort, also unten auf der Erde selbst, untersucht werden. Allerdings musste das völlig unauffällig geschehen. Man musste sich das Aussehen eines gewöhnlichen Menschen geben. Das wäre kein Problem. Wesentlich schwieriger würde es sein, die menschliche Mimik und Gestik nachzuahmen. Außerdem ergaben die Analysen, dass vorerst nur einer der Raumfahrer landen sollte. Er sollte sich unter die Menschen mischen und versuchen, alle Fragen so weit wie möglich zu klären.

Zum Glück gab es genug Lehrmaterial, das Verhalten der Menschen zu studieren. Die Raumfahrer brauchten nur die merkwürdigen Signale zu entschlüsseln, die die Menschen Fernsehen nannten.

Alle Vorbereitungen waren bald abgeschlossen. Zuletzt, und das war fast der wichtigste Punkt, vergewisserten sie sich, dass die Kraft mit ihnen war. Das war eindeutig der Fall! Also konnte es los gehen!


Landung

 

Das Erste, was John nach der Landung registrierte, war die Bestätigung, wie gut sie den Landeplatz gewählt hatten. Außerdem schien die Kraft ja wirklich mit ihnen zu sein, denn in der Nähe tobte ein Gewitter. Daher war der Lichtstrahl, der bei Johns Landung unvermeidlich war, im Geflacker des Wetterleuchtens untergegangen.

Er war nachts gelandet. Das war zwar riskant, weil der Lichtstrahl eben doch recht auffällig war. Aber erstens würde er nur sehr kurz aufblitzen, und zweitens hatten sie mit ihren Analysegeräten weit und breit keinen Menschen ausmachen können. Tagsüber wäre der Lichtstrahl zwar nicht sichtbar gewesen, dafür wäre aber das Risiko aufzufallen viel größer gewesen. Menschen würden es nicht einfach hinnehmen, wenn vor ihnen buchstäblich aus dem Nichts ein anderer Mensch aufgetaucht wäre!

Nun aber war ihnen sogar noch das irdische Wetter in Gestalt dieses Gewitters zu Hilfe gekommen!

Die Erdatmosphäre war aber auch ein Lebenselixier! Sie, die Raumfahrer, mussten sehr vorsichtig mit ihr umgehen, denn sie würde die Alterungsprozesse erheblich beschleunigen! In ihrer eigenen Atmosphäre mit einem Sauerstoffanteil von gerade zehn Prozent dauerten die biologischen Prozesse, also auch das Altern, viel länger. Sorgfältigster Schutz war also unabdingbar.

Nun, auch das war kein Problem. Die wahre Gestalt der Raumfahrer war etwa halb so groß wie die der Menschen. Das war günstig, konnte man so doch in der Hülle noch ein paar Analysegeräte unterbringen. Außerdem hatten sie festgestellt, dass sie die emotionalen Ströme der Menschen registrieren konnten. Heftige Gefühle wurden ihnen ebenso offenbar wie der Umstand, dass häufig die Worte der Menschen überhaupt nicht zur Art ihrer Gefühle passten. An sich war das auch schon widersprüchlich, aber eins nach dem anderen! Menschliche Gedanken konnten sie jedenfalls nicht lesen.

Als nächstes fiel John auch ohne Menschen die gigantische Fülle des Lebens ringsum auf, viel umfang- und artenreicher, als sie von oben gedacht hatten. Da gab es große und kleine Pflanzen, große und kleine Tiere, fliegende, kriechende, laufende; in der Luft und am Boden. Auf diesem Planeten schien alles zu leben, von ganz groß bis mikroskopisch klein. Vielleicht war sogar der ganze Planet ein einziges Lebewesen.

Inmitten dieser Fülle müsste doch auch für sie, die Raumfahrer, eine Nische zu finden sein, oder?

Aufmerksam registrierte John, wie sich plötzlich doch zwei Menschen näherten. Das war eigenartig, denn auf der Nachtseite dieses Planeten herrschte in den Ballungszentren zwar durchweg reges Leben, im Wald jedoch war es nachts ruhig. Offenbar wohl nicht immer!

Natürlich hatten die beiden Menschen keinerlei Ahnung von Johns Gegenwart. Aber selbst wenn, die beiden schienen derartig abgelenkt, dass sie überhaupt nichts um sich herum wahrnahmen. John erkannte auch gleich den Grund: die emotionalen Ströme der beiden glichen schon einem Wirbelsturm! Er bemerkte eine Frau und einen Mann, beide recht jung und beide offenbar in Paarungsbereitschaft.

Die beiden steuerten eine Laube im Wald an. John brauchte nicht näher heran zu gehen um festzustellen, dass sie sich wirklich paaren wollten. Was ihn aber faszinierte, war die Art und Weise, wie sie daran gingen!

Beide schienen der Umgebung völlig entrückt und in einem wahren Glückstaumel! Sie waren nur mit sich beschäftigt, verschmolzen mit dem Leben selbst; keine Menschen mehr, sondern etwas Höheres. Das ganze Universum schien in ihnen vereinigt in einer Explosion höchsten Glücks und vollendeter Harmonie!

Für John kam dieser Gefühlssturm in seiner Heftigkeit etwas unerwartet, denn ihre Beobachtungen hatten ergeben, dass die Menschen allgemein überhaupt nicht auf Gefühle reagierten. Dann gab es hier diese Gefühlseruption. In der Tat, er stellte gerade Widersprüche fest, die sie bisher noch gar nicht erkannt hatten!

Schließlich überließ John die Liebenden sich selbst und machte sich auf den Weg in das nächstgelegene Ballungszentrum. Die Menschen nannten diese Gebilde Städte. Schon von Weitem war der Lichterglanz unübersehbar. Warum in aller Welt wurde dort so viel Energie nur zur Beleuchtung aufgewendet? Das meiste davon war doch ohnehin völlig nutzlos!

Der Waldrand war schon nahe, als John von der Seite eine Horde höher entwickelter Tiere bemerkte. Sie wühlten mit Hingabe im Waldboden, vermutlich auf der Suche nach Nahrung. Das ferne Brodeln der Stadt schien sie überhaupt nicht zu stören. Allerdings schnüffelten sie plötzlich in seine Richtung. Aber sie waren zu weit entfernt, um wirklich unruhig zu werden. Immerhin, eine Bestätigung ihrer Ergebnisse der Erkundung von ferne bestätigte sich hier: Tiere hatten viel feinere Sinne als der Mensch!

Dann trat John aus dem Wald. Der direkte Lichterglanz der Stadt erreichte ihn noch nicht, denn davor lag noch ein Hügel mit Wiesen und Äckern. Aber schon die Rückstrahlung von den Wolken war so gewaltig, dass von nächtlicher Dunkelheit nicht einmal mehr annähernd noch die Rede sein konnte. Wobei es echte Dunkelheit für John nicht gab. Ausgestattet mit allen möglichen Infrarotsensoren[2] war für ihn alles sichtbar, unabhängig von der Tageszeit.

Eine Straße umkurvte vor ihm den Hügel und verschwand dahinter im Lichtermeer. John folgte der Straße und beeilte sich dabei ein wenig, denn in Kürze würde die Morgendämmerung anbrechen. Und die Tageshelligkeit sollte ihn lieber inmitten der anderen Menschen in der Stadt finden als allein irgendwo in der Landschaft.

Glücklicherweise zog sich das mit der Dämmerung hin. Das Gewitter, das bei seiner Landung hier getobt haben musste, hatte sich zwar verzogen. Es war jedoch eine dichte Wolkendecke übrig geblieben, die nur sehr zögernd das Licht der Dämmerung hindurch ließ.

Wie üblich, war der Stadtrand gekennzeichnet durch prachtvolle Villen in riesigen Gärten. Diese Gärten erregten als erste Johns Aufmerksamkeit. Hier hatte der Mensch tatkräftig der Natur seinen Stempel aufgedrückt. Warum eigentlich? Die völlig regelmäßig angeordneten Buschreihen, die in geometrischen Mustern angeordneten Blütenpflanzen, das sah doch total unnatürlich aus! Gefiel den Menschen denn das?

Plötzlich öffnete sich das Tor zur Auffahrt einer der Villen. Kurz danach wurde John erstmals direkt mit diesem urzeitlichen Fortbewegungsmittel konfrontiert, das die Menschen Auto nannten. Eine Wolke von Dreck, Gestank und Abgasen hinter sich herziehend verschwand das Auto bald um eine Kurve. Das Tor zur Auffahrt schloss sich wieder.

John dachte nach, das heißt, seine Analysegeräte liefen auf Hochtouren[3]. Klarer Fall, den Menschen, oder besser dem Menschen in diesem Auto, konnte nicht bewusst sein, was sie da taten. Die Intensität der Giftwolke übertraf sogar noch die schlimmen Erwartungen. Nun war die irdische Natur so robust, dass sie erstaunlich gut mit dieser Masse an Schadstoffen fertig wurde, doch konnte das auf Dauer nicht gut gehen.

John lief weiter die Straße hinab. Sie mündete bald in eine andere, breitere Straße, auf der sehr viele Autos unterwegs waren. Weiter hinten blieben die Autos stehen, weil es aus irgendwelchen Gründen nicht weiter ging. Der Stau pflanzte sich nach hinten fort und hatte bald auch die Höhe von John erreicht. Fassungslos musste er ansehen, wie die Autos mit laufenden Motoren an Ort und Stelle still standen, so viele auf engem Raum! Kein Wunder, dass sich die Atmosphäre allmählich einem Zustand näherte, der der ihren schon näher kam.

Niemanden schien das zu stören! Der Glaube der Raumfahrer an die Intelligenz der Menschen bekam Risse!

John schlenderte weiter; folgte der Hauptstraße immer tiefer in die Stadt hinein. Bald konnte er auch die Ursache des Staus ausmachen: an einer anderen Kreuzung waren zwei Autos zusammen gestoßen. Der Stoß konnte nicht sehr heftig gewesen sein, doch waren die beteiligten Blechhaufen trotzdem ziemlich beschädigt. Menschen standen darum herum und gestikulierten aufgeregt. John konnte heftige emotionale Ströme von Wut, Ärger und Besorgnis ausmachen.

Auto fahren musste ja mächtig Spaß machen, wenn die Menschen sich freiwillig so etwas antaten!

Die Villen des Stadtrandes waren längst riesigen Bauten mit zahlreichen Wohnhöhlen auf engstem Raum gewichen. Nun gut, für eine solche Massenansammlung von Menschen war diese Art des Wohnens recht praktisch.

John trieb seine Studien den ganzen Tag über. Wesentlich neue Erkenntnisse, die über das hinaus gingen, was sie schon aus dem Orbit erkundet hatten, gab es aber nicht. Um den Menschen näher zu kommen, war also der direkte Kontakt unabdingbar. Aber wie könnte das bewerkstelligt werden?

Einige Menschen wurden von einem Tier begleitet, das sie Hund nannten. Hunde schienen sehr treue Begleiter zu sein, jedenfalls konnte John in allen Fällen ausnahmslos eine intensive Bindung zwischen Mensch und Hund ausmachen. Das war so ähnlich wie bei den Liebenden im Wald, wenn auch längst nicht so stark. Menschen und Hunde konnten sich doch aber nicht fortpflanzen!

Jedenfalls hatten auch diese Hunde wie alle Tiere deutlich feinere Sinne als die Menschen. Es ging schon gegen Abend, als einer der Hunde, ein großer, brauner Kerl, plötzlich intensiv nach ihm schnupperte und wie wild zu bellen anfing. Der ihn begleitende Mensch reagierte zunächst überrascht und dann zornig. „Willst du wohl ruhig sein! Nein!“

Für John war diese Szene sehr aufschlussreich, denn natürlich kamen auch von diesen schon recht hoch entwickelten Tieren emotionale Signale. Der Hund hatte einfach Angst; war unsicher und irritiert! Er hatte das Fremde in John erspürt, und es passte überhaupt nicht in sein Weltbild. Diese irrationale Angst ließ ihn so panisch reagieren. Am liebsten hätte er sich auf John gestürzt, was aber der feste Griff des Menschen an der Hundeleine verhinderte. John machte, dass er weg kam, denn eine Entdeckung auf diese Art wäre katastrophal! Zumal er nicht mit einer derartigen Konfrontation gerechnet hatte.

Immerhin gab dieser Vorfall aber in einem sehr wesentlichen Punkt wertvolle Aufschlüsse. Die Angst des Hundes vor dem Fremden hatte ihn aggressiv werden lassen! Er wollte den vermeintlichen Störfaktor einfach beseitigen. War es das? War es vielleicht auch damals die Angst der Menschen, die sie zu dem Angriff auf das Raumschiff trieb? Wovor aber hatten sie denn Angst?

Der Tag neigte sich, in einigen Wolkenlücken wurde das Licht der untergehenden Sonne reflektiert. Das Verkehrsgebrodel, das tagsüber ein wenig nachgelassen hatte, schwoll wieder an. John hatte den Eindruck, dass sich zeitweise überhaupt nichts bewegte. Eigenartig! Andere Verkehrsmittel, die auf Schienen fuhren, kannten keinen Stau und produzierten auch keinen Dreck und keine Abgase. Trotzdem waren die Züge nur halb voll. Das war so unverständlich, dass John diese Beobachtungen zweimal in seine Analysecomputer eingeben musste. Das erste Mal hatte das System erneut einen Eingabefehler vermutet!

Der Abend schritt voran und wurde zur Nacht. Sehr zögernd ebbte die Verkehrslawine wieder ab. John hatte verstanden, dass die Menschen aus ihren Wohnhöhlen in andere Höhlen gingen, um zu arbeiten, um danach wieder in ihre Wohnhöhlen zurück zu kehren. Das kam ihm zwar sehr uneffektiv vor, doch war diese Frage zunächst von untergeordneter Bedeutung.

Plötzlich erspürte er in der Nähe eine Oase, in der es deutlich dunkler war und die Luft erheblich sauberer. Er fand eine Parkanlage inmitten der städtischen Betonwüste. Das war doch wenigstens etwas! Zumindest einige Menschen suchten zwischen Lärm und Gestank Ruhe und Erholung.

Ganz unbelebt war aber auch die Straße vor dieser Parkanlage nicht. Er bemerkte ein paar junge Frauen, die scheinbar gelangweilt herum standen oder langsam auf und ab schlenderten. Sie waren völlig anders gekleidet als die Frauen im städtischen Gewimmel. Eine dieser Frauen bemerkte John und kam auf ihn zu.

John konnte die Ironie des Schicksals nicht erfassen, dass der erste direkte Kontakt einer außerirdischen Hochintelligenz mit der Menschheit ausgerechnet mit den Damen des horizontalen Gewerbes geknüpft wurde!

„Hallo Süßer! Heute schon ’ne Pipeline gemacht?“ rief die Frau herausfordernd.

Kaum war es zu glauben, aber die Emotion war eindeutig: diese Frau wollte sich mit ihm paaren! …

 

 

 

Fortsetzung im Roman



[1] Ein Lichtjahr ist die Entfernung, die das Licht innerhalb eines Jahres zurücklegt, also die unvorstellbare Distanz von 9,5 Billionen Kilometern!

Anschaulicher: nach dieser Methode ist der Mond etwa eine Lichtsekunde, die Sonne acht Lichtminuten entfernt. Der nach der Sonne uns am nächsten gelegene Fixstern Alpha Centauri ist etwa vier Lichtjahre entfernt. Mit anderen Worten: sollte dieser Stern in dieser Minute in einer Nova zugrunde gehen, bekommen wir das erst in vier Jahren mit!

Die Außerirdischen haben natürlich ganz andere Maße, aber des besseren Verständnisses wegen werden diese Angaben in menschliche Dimensionen übersetzt. Dies gilt auch für alle anderen physikalischen Einheiten, die in diesem Roman eine Rolle spielen.

[2] Infrarot: Hierbei handelt es sich um Wellen, die im Gegensatz zu Lichtwellen für die Menschen unsichtbar sind. Sensoren haben damit aber kein Problem. Solche Sensoren sind weit verbreitet. In fast jedem Satelliten sind sie eingebaut. Aber auch Nachtsichtgeräte basieren auf der Infrarottechnik.

Ein Infrarotsensor misst die Temperatur von Oberflächen. Da es Temperatur natürlich auch nachts gibt, kann beispielsweise ein Wettersatellit auch nachts Wolken beobachten. Je kälter diese Wolken an der Oberfläche sind, umso höher reichen sie. Überhaupt wird alles, was Wärme abstrahlt, problemlos erkannt, zum Beispiel auch Panzer in kriegerischen Auseinandersetzungen, egal ob sie beleuchtet sind oder nicht. Ballistische Abwehrraketen orientieren sich an der Wärmestrahlung des Flugobjektes, das sie zerstören sollen.

[3] Der Übersicht halber werden hier im Folgenden menschliche Begriffe verwendet. ‚Nachdenken’, ‚Schlussfolgerungen ziehen’ etc. sollen hier immer dafür stehen, dass John mit Hilfe seiner Analysegeräte zu Ergebnissen kommt. Ob die Raumfahrer sich echt eigene Gedanken im menschlichen Sinne machen konnten, ist nicht bekannt, kann aber bei einer so weit entwickelten, hoch intelligenten Spezies vorausgesetzt werden.

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