Traumjob
Eine Liebesgeschichte
LESEPROBE
Es war mir heute fast zu warm für meine tägliche Radtour. Und man wurde ja auch nicht jünger. Daher war ich schon morgens gestartet. In den fünf Jahren, seit meine liebe Frau zum lieben Gott gerufen worden war (Krebs ist halt nach wie vor nicht heilbar), habe ich mir die tägliche Tour verordnet, vor allem seit meinem Eintritt in den Ruhestand im vorigen Jahr. Bei schlechtem Wetter wanderte ich eine feste Tour durch den Wald. Ohne diese Disziplin würde man ja alt werden!
Nun ja, heute war also sehr schönes Wetter. Und ein Tag, an dem mein Leben eine völlig unerwartete Wendung nehmen sollte.
Dabei fing es ganz schlecht an, um nicht zu sagen dramatisch. Ich fuhr auf der Hauptstraße geradeaus, als ich von rechts aus der Nebenstraße ein Auto kommen hörte. Nun kann man als Radfahrer zwar zehn Mal im Recht sein – im Falle eines Falles ist man aber trotzdem der Dumme.
Das Auto machte jedoch Anstalten zu halten, so dass ich ruhig weiter fuhr. Aber dann fuhr plötzlich auch das Auto – der Zusammenstoß war unvermeidlich. Zum Glück hatte ich noch soviel Reaktionsvermögen, dass ich sofort auszuweichen versuchte. Zwar vergeblich, aber immerhin traf ich das Auto nur mit der Seite und nicht frontal.
Ich stürzte und spürte sofort einen brennenden Schmerz im Knie. Aber ich merkte schnell, dass mir nichts Ernstes passiert war. Das Knie war aufgeschrammt und begann etwas zu bluten, die Hose war zerrissen. Das Rad war nur noch Schrott.
Ich hatte also großes Glück gehabt. Aber dann ging es erst richtig los!
Ich hatte mich schon halbwegs wieder aufgerappelt, als vorsichtig die Autotür geöffnet wurde. Heraus blickte eine nicht mehr ganz junge Frau mit vor Schreck verzerrtem Gesicht.
„Sind... sind Sie verletzt...?“ Ihre Stimme zitterte vor Schock und Entsetzen, aber auch Anteilnahme. Es schwang noch etwas mit, von dem ich nicht gleich wusste, was es war. Sie klang so sympathisch, dass ich meinen Zorn gleich vergaß.
„Nein...“, ächzte ich, „das heißt ja, aber nicht wesentlich! Nur mein Fahrrad ist wohl hinüber.“
Ihre Augen starrten mich immer noch voller Entsetzen an. Ich hatte jedoch meinen Schreck schon überwunden. Und dann bemerkte ich die Bewegung auf dem Rücksitz: dort saßen zwei Kinder, ein kleines und ein großes. Das kleine jammerte: „Mami, Mami, was ist denn passiert?“ Das andere zeigte keine Reaktion, jedenfalls keine, die ich von außen durch die Fenster entdecken konnte. Mein Herz verkrampfte sich, als die Not ihrer Mutter offenbar wurde.
Etwas benommen stand ich auf, musste mich kurz an das Auto lehnen. Die Frau stieg aus, und ich konnte sie näher betrachten. Sie war ärmlich gekleidet (oder war das heutzutage modern?). Sie hatte dünne halblange braune Haare und ein angenehmes, wenn auch recht farbloses Gesicht. Zwei lange Kummerfalten beiderseits ihres Mundes waren unmissverständlich: Diese Frau litt Not, nicht nur wegen des Unfalls! Und sie musste schon viel Schlimmes erlebt haben! Ich beschloss, sehr behutsam mit ihr umzugehen.
„Wie ist denn das gekommen? Sie haben doch gehalten...?“
„Ich... ja, habe ich – da war nichts! Dann hat Julia geweint – da bin ich los – und dann...“ Ihre Stimme brach. Ganz behutsam legte ich meine Hand an ihren Arm. Mit größter Mühe kämpfte sie gegen ihre Tränen – erfolgreich! Diese Frau mochte zwar arm sein, aber bestimmt nicht schwach!
Bald fasste sie sich wieder. „Bitte, rufen Sie nicht die Polizei! Ich ersetze Ihnen alles...“
Dann fingen beide Kinder an zu quengeln. „Mama, ich will zum Kindergarten! Was ist denn das für ein Mann!?“ Die Entrüstung war unüberhörbar. Die Mutter fuhr herum. „Sei still! Dieser Mann...“
Dann mischte ich mich ein. Ich beugte mich in den Wagen und sah zwei süße Kinder. Die Kleinere sah mich mit angstgeweiteten Augen an. Augenblicklich war es still. „Dieser Mann“, sagte ich freundlich, „war zufällig im Weg, als eure Mutter weiter fahren wollte!“
Neben ihr saß ihre deutlich ältere Schwester, und die fuhr mich an: „Aber du sollst uns in Ruhe lassen!“
„Julia!“ schrie die Mutter plötzlich, „diesen Mann hätte ich fast überfahren! Das hast du nun von deinem Geschrei!“
Julia war sofort still, zu Tode erschrocken. Das konnte ich kaum mit ansehen. „Hallo Julia, ist das dein Name? Deine Mama hat einen winzigen Moment nicht aufgepasst. Das kann dir auch passieren, nicht? Und mir natürlich auch! Schau, mein Fahrrad ist völlig kaputt! Das muss ich mit deiner Mama besprechen, verstehst du das?“ Sorgfältig achtete ich darauf, dass die Kinder nicht mein lädiertes Knie sahen.
Die ganze Familie war jetzt völlig ratlos. Also ergriff ich die Initiative.
Fortsetzung: …
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