Relativ, absolut und absolut relativ
Bei dieser Überschrift fällt wohl jedem, der mal etwas von Albert Einstein gehört hat, seine Relativitätstheorie ein. Um die soll es aber hier in keiner Weise gehen, wenngleich sie auch Pate bei der Zusammenstellung dieses Beitrags war.
Nein, mir geht es um die Relativität im Alltag.
So ein Quatsch, könnte man natürlich denken, was soll da relativ sein. Nun ja, es gibt natürlich Fragen, die zur Antwort nur ein absolutes Ja und/oder ein absolutes Nein haben. Aber auch das erscheint schon wieder relativ unsicher, wenn man…
Ja, was? Tatsache ist, dass es nachts dunkel und tagsüber hell ist. Das ist absolut. Aber ist hell gleich hell und dunkel gleich dunkel? Ist es in diesen grauen Novembertagen nicht relativ zu sonnigen Tagen ziemlich dunkel? Und gleichzeitig heller als nachts? Helligkeit ist also relativ.
Und Dunkelheit? Natürlich auch! Man stelle sich eine sternenklare Neumondnacht auf dem Land in der Nähe von, sagen wir mal, Berlin vor. Das ist ziemlich dunkel, wenngleich auch nicht absolut dunkel – man sieht immer was! Absolute Dunkelheit gibt es nur in abgeschlossenen Räumen, beispielsweise Höhlen. Aber im Freien?
Nun stelle man sich mal eine Nacht mit bedecktem Himmel vor. Die unglaubliche Lichterflut aus Berlin wird von den Wolken reflektiert – es ist viel heller als bei wolkenlosem Himmel. Oder wenn der Vollmond gleißend hell Schatten wirft. Alles relativ eben!
Ein weiteres Paradebeispiel ist natürlich das Verhältnis Fußgänger – Radfahrer – Auto – ICE. Ich glaube, das muss nicht näher ausgeführt werden. Mir jedenfalls macht es einen Heidenspaß, auf der Fahrt von München nach Nürnberg mit dem ICE zu fahren. Die Strecke führt längere Zeit parallel zur A9. Selbst die auf der linken Spur „rasenden“ Porsches, BMWs und andere Flitzer lässt der mit 250 bis 300 Sachen fahrende ICE einfach stehen.
Nun ist das Flugzeug wiederum noch schneller. Aber… wirklich? In die Bahn steigt man ein, dann fährt der Zug los und kommt zu gegebener Zeit am Ziel an – fertig! (Die gelegentlichen Pannen und Verspätungen kann ich als Bahnvielfahrer vernachlässigen). Zum Flugzeug dagegen ist neben der viel längeren Anfahrt das Prozedere, bis man endlich im Flieger sitzt, endlos. Dann am Ziel auf die Koffer warten – und wieder die längere Anfahrt… Von München nach Nürnberg geht es von Tür zu Tür mit der Bahn schneller als mit dem Flugzeug, obwohl das Flugzeug schneller fliegt als die Bahn fährt. Alles klar?
Apropos Geschwindigkeit – ohne es zu erwähnen, meinen wir mit Geschwindigkeit natürlich immer die Geschwindigkeit relativ zum ruhenden Erdboden. Aber ruht der wirklich? Bewegt er sich nicht relativ zur Sonne unglaublich schnell? Und bewegt sich die Sonne nicht relativ zum Zentrum unserer Milchstraße? Wie bewegt sich denn unsere Erde relativ zum Zentrum unserer Milchstraße?
Und was hier auch nicht fehlen darf, ist die Zeit. Haben Sie schon mal ungeduldig darauf gewartet, dass endlich das Teewasser kocht? Das dauert Ewigkeiten, wenn man wirklich wartet und sich auf den Tee freut.
Haben Sie aber beim Aufsetzen des Kessels schon mal was anderes gemacht, weil es ja so lange dauert? Kocht das Wasser dann nicht schneller, als Sie sich umsehen können?
Was ist viel Zeit? Was ist wenig Zeit? Näheres hierzu habe ich jedoch schon hier geschrieben.
Alle diese Gedanken kann man übrigens bis zum ollen Archimedes zurück verfolgen. Was sonst sollte er gemeint haben mit dem ihm zugeschriebenen Spruch „Gebt mir einen festen Punkt, und ich hebe die Welt aus den Angeln!“
Zum Glück für uns alle gibt es diesen festen Punkt nicht – keinen, nirgends. Nichts ist absolut und alles relativ. Und wenn Sie sich das nächste Mal mit irgendjemandem streiten – relativ gesehen haben bestimmt beide recht!
Was das Ganze soll? Nun, Gedankenspielerchen! Aber auch das ist doch relativ, oder?