Über Wahrsagen und Horoskope
Gibt es eigentlich eine Zeit, die man mit dem Beginn von Astrologie, Horoskopen und Wahrsagerei in Verbindung bringen kann? Ja, natürlich! Das Auftauchen der Menschheit!
Es sind damit wohl die ältesten Rituale der Welt. Das ist höchst erstaunlich, denn das Weissagen der Zukunft ist im Grunde ein Widerspruch in sich. Das hat wohl psychologische Gründe, dazu später mehr. Zunächst zum Widerspruch.
Orakel und Weissagungen für die Zukunft zu erstellen, diente ja in der Regel dazu, kommendes Unheil zu erkennen und zu vermeiden. Nehmen wir mal das Beispiel Horoskope. Im Falle einer tatsächlich vorausgesagten Katastrophe gibt es nun zwei Möglichkeiten: Entweder es gelingt, die Katastrophe durch geeignete Maßnahmen zu verhindern oder zumindest abzumildern – dann wäre aber das Horoskop falsch gewesen. Oder aber die Katastrophe tritt wirklich ein – dann wäre das Horoskop richtig gewesen. Aber dann hätten die Menschen ab dem Moment der Vorhersageerstellung durch das Horoskop in Angst vor dieser Katastrophe gelebt – kein schönes Leben. Wie glücklich ist da einer dran, der diese Horoskop-Vorhersagen nicht kennt! Zwar ereilt ihn auch die Katastrophe, aber bis dahin hat er wenigstens glücklich gelebt. Was ist da erstrebenswerter?
In einem Satz: Horoskope sind entweder falsch oder sie machen unglücklich! Wo steckt da der Sinn?
Von einem Meteorologen habe ich einmal in einem Vortrag die Frage gehört, ob wir, die Zuhörer, schon mal über den Unterschied zwischen „raten“ und „vorhersagen“ nachgedacht hätten. Er meinte natürlich die Wettervorhersage, aber ich finde, die Frage gilt universell für alle Aspekte des Lebens. Wo hört „vorhersagen“ auf, wo fängt „raten“ an? Der Meteorologe hatte ausgeführt, dass man eine Vorhersage nur machen kann, wenn man die Ausgangslage kennt und dann daraus schließt, wie es weitergehen könnte. Na Klasse! Philosophisch bietet diese Aussage alle möglichen Implikationen. Zuallererst: Kennt man die Ausgangslage, oder glaubt man sie nur zu kennen? Haben die Astrologen Wallensteins eine Vorhersage gemacht oder haben sie geraten?
Die Antwort ist verblüffend: nicht „entweder – oder“, sondern „sowohl – als auch“. Ihre Prophezeihungen waren „vorhersagen“ und „raten“ zugleich!
Sie glaubten vermutlich mit Sicherheit, die Ausgangslage gekannt zu haben – oder besser, Wallenstein glaubte das, denn er hat seinen Astrologen die Lage erklärt. Daraus schlossen sie mit Hilfe der Sterne, wie es weitergehen könnte – aus ihrer Sicht ganz klar eine Vorhersage. Heute stellt sich die Lage jedoch anders dar. Die Sternenkonstellationen sind ja zufälliger Natur, und aus rationeller Sicht erscheint es völlig abwegig, daraus Vorhersagen welcher Art auch immer abzuleiten. Aber ich schweife ab.
Kommen wir zurück zu Horoskopen. Sie sind ein Widerspruch in sich – und doch lesen fast alle Leute regelmäßig das, was unter der Rubrik „Horoskop“ in Medien und Internet steht. Warum? Ich biete folgende Erklärung an: die Psyche des Menschen ist so!
Schon die Naturvölker (oder gerade diese?) hatten für Vorgänge, die jenseits ihrer Kontrolle lagen, sofort übernatürliche Erklärungen parat – sie schufen sich einfach Gottheiten. Damit waren sie der Mühe enthoben, Missgeschicke und Unglücke zu erklären. Es scheint für den Menschen psychologisch völlig unmöglich zu sein, ohne solche Dinge leben zu können – man braucht halt einen Halt!
Also – wenn Sie eine Vorhersage/ein Horsokop/eine Weissagung nicht mögen – gar nicht hinhören! Hat nicht Martin Luther mal gesagt: „Und wenn ich auch wüsste, dass morgen die Welt untergeht, so würde ich doch heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“.
p. s. Dem Wetterbericht für morgen oder das Wochenende höre ich trotzdem zu…
© Chris Frey
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